Einleitung: Hofnamen und ihre Stellung im namenkundlichen System

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„Flüsse, Berge und Siedlungen tragen … oft schon seit vorgeschichtlicher Zeit Namen. Ist es dann nicht geradezu selbstverständlich, daß der naturverbundene Mensch einfach das Bedürfnis hatte, auch seine unmittelbarste Umgebung, den Hof und die Fluren, zu benennen?“[1]

Während in der namenkundlichen Forschung Einigkeit darüber herrschen dürfte, dass Örtlichkeitsnamen und Personennamen unterschieden werden können[2], lässt sich am Beispiel der Hofnamen zeigen, dass selbst diese Abgrenzung nicht ganz so eindeutig ist. Als Hofnamen wird eine spezifische Gruppe von Namen verstanden, die sich an der Grenzlinie zwischen Bezeichnungen für Personen – Anthroponymen – und Bezeichnungen für Orte bzw. Gebäude – Toponymen – bewegen[3]. Maria Hornung dagegen reiht die Hofnamen eindeutig unter die Siedlungsnamen[4].

Alternative Begriffe zu „Hofnamen“ wären „Aulonyme“ (von griechisch aulé „Hof“), „Gehöftnamen“, „Güternamen“ oder „Höfenamen“[5]. Im alltäglichen Sprachgebrauch in der Buckligen Welt und vereinzelt auch in der Forschung wird der Begriff „Hausname“ synonym mit „Hofname“ verwendet – es empfiehlt sich aber, hier eine Unterscheidung zu treffen.

Ein Hofname wird nicht nur auf den Hof bzw. die Wirtschaftsgebäude angewandt, sondern auch auf den Bauern, die Bäuerin und ihre Familie, wie die Kinder und die AusnehmerInnen (Altbauern). Sogar auf die andere Personen, die am Hof wohnten, wie die Dienstleute, entferntere Verwandte und die sogenannten InwohnerInnen oder Söllner[6], wurde der Hofname übertragen. Man könnte in der Buckligen Welt zum Beispiel hören: „Das ist der Karl, sagen tut man ihm Stegbauer, aber schreiben tut er sich Ungerböck“ bzw. „Der Ungerböck ist auf dem Steghof drauf“. – Der Bauer am Schützenhof könnte als Schützenhofer bezeichnet werden, in der Buckligen Welt überwiegt allerdings die Form auf -bauer, also bei diesem Beispiel Schützenbauer. – Eine vom Ungerhof stammende Magd namens Maria Handler, die beim Rehbauern ihren Dienst aufnimmt, würde sofort in Rehbauern-Mitzi umbenannt.

Der wesentliche Grund für die Vergabe von Haus- und Hofnamen ist die Orientierung. Die Hausnummern, die wir als ganz selbstverständlich betrachten, setzten sich erst im 18. Jahrhundert auf breiter Ebene durch[7]. Außerdem tragen Hofnamen wesentlich zur Unterscheidung von Personen gleichen Vor- und Familiennamens bei. In manchen Gemeinden funktioniert es übrigens genau umgekehrt: Hier werden Personen gleichen Namens nach ihrer Hausnummer unterschieden. Es gibt dann zum Beispiel den Zwölfer-Meier und den Einser-Meier[8].

Hofnamen berühren die Gebiete der Volkskultur, der Regionalgeschichte, der Soziologie und der Namenkunde gleichermaßen. Deswegen sind sie – zumindest für mich – ein so interessantes Forschungsgebiet.

Merkmale von Hofnamen
    • Hofnamen lassen sich schwer standardisieren und kodifizieren, also schriftlich festhalten
    • Hofnamen treten vorrangig in der mündlichen Kommunikation auf
    • nur ein enger Kreis von Sprecherinnen und Sprechern ist damit vertraut bzw. verwendet Hofnamen regelmäßig
    • der Gebrauch differiert stark nach Alter und Berufsgruppen

[9]

Bildung von Hofnamen

Die Bildung der Hofnamen geschieht auf vielfältige Weise. Zu den allerersten Namensgebern zählten markante Bäume[10]. In der Buckligen Welt treten häufig Hofnamen auf, die mit Bäumen oder Sträuchern zu tun haben: Aichhof, Aichleitner, Eichbauer (Eiche), Birbaumhof (Birnbaum), Biribauer (Birke), Felberbauer (Bachweide), Haslbauer (Haselstrauch), Hollerbauer (Holunder), Lindenbauer (Linde), Tann(hof)bauer (Tanne), Tribamer bzw. Tripamer (bei den drei Bäumen), Weidenhof (Weide), Bramberhof (Brombeere), Gstaudenbauer (Gesträuch), Hündl- bzw. Hindlhof (Hindlbia = Himbeere), Nußbaumer (Nussbaum). Hofnamen beziehen sich auch häufig auf die Lage eines Gebäudes – auf dem Berg, im Tal, an einem Gewässer, nahe einem Wald: „Geographische Gegebenheiten spielen bei der Orientierung in einer Umwelt notwendigerweise eine außerordentlich große Rolle. Dementsprechend werden sie auch von altersher gern zur raschen und sicheren Verständigung über die in der Umgebung lebenden Mitbewohner benutzt“[11].

Saelde Knapp gliedert die Hofnamen in die Gruppen Naturnamen und Kulturnamen (Beispiele stammen aus der Buckligen Welt und wurden von mir ergänzt):

  • Naturnamen, die die „Lage, Beschaffenheit und besonderen physischen Eigenschaften des Gehöftes“ beschreiben[12]: Hoflage (Bergbauer, Wastl auf der Höh), Bodenbeschaffenheit (Schmalzbauer), Gestalt des Hofes, Pflanzenwuchs (Haarbauer), Höhen- und Neigungsverhältnisse (Leitenbauer), Lage an bestimmten Gebäuden, Flüssen, Teichen (Geißmühle, Lackenbauer) [13]
  • Kulturnamen, die auf dem „Menschen und seiner Arbeit“ basieren[14]: Urbarmachen (Reutbauer), Rechtsverhältnis (Zehenthof, Lehenbauer, Eigner, Gmeinerbauer, Neustiftler, Pichlerb), Baustoff (Steinkellerbauer), Größe (Großbauer), Wirtschaftsgebäude (Stadelbauer), Ämter und Beschäftigungen (Schaffahof), Aberglaube, Sagen, Wege und Straßen (Wegbauer), Ableitungen von Ortsnamen, Eigenschaft des Besitzers, Personennamen (Diembauer), Familiennamen (Faustmann)

Milan Harvalík gliedert Hofnamen in sechs Untergruppen[15] (Beispiele wieder aus der Buckligen Welt):

  • Familiennamen des Besitzers: Achterfürst (Familienname Fürst und Hausnummer), Flasch, Heißkoglbauer (Familiennamen Heiß und Koglbauer), Kawicher (Familienname Kabicher)
  • Übernamen des Besitzers: Krässinghof (Name Krähschink – Schenkel wie eine Krähe = x-beinig); Wachabauer (zu Wächer = jemand, der viel auf schöne Kleidung hält); Hidribauer (von Hüttrauch, einem künstlichen Arsenik als Schutzmittel gegen Krankheiten bei Tieren, das anscheinend so mancher Bauer nicht nur dem Vieh verabreichte…, heute eher Beleidigung)
  • Vornamen / Taufnamen: Feld-Lipp bzw. Bach-Lipp (Vorname Philipp); Geberthof (Vorname Gebhard); Kruntnalipü (Familienname Grundner und Vorname Philipp), Hansmichl, Hanipoldl (Vornamen Johann und Leopold); Hieselbauer (Vorname Matthias); Riegelgreier (Vorname Gregor); Jockl am Eck (Vorname Jakob); Peterseferl bzw. Pedanpuidl (Vornamen Peter, Josef und Leopold), Glöckl auf der Haid (Vorname Georg); Irgl Biel (Vorname Georg), Hedwig
  • Beruf des Besitzers: Hafner-Schmied; Beisteiner-Schlosser, Sauschneider; Schafferbauer (zu schaffaere = Aufseher, Verwalter); Schuster; Hannisl-Zimmermann; Kramer (Kaufhaus seit 1850); Krechzenbauer (Krechzen = geflochtener Korb > Korbflechter?); Wolfförstel (Forstbeamter); Widenschneider; Traurschmied; Butterbauer (Butterhändler)
  • Eigenschaft des Hofes: Schmalzpatriz (Schmalz = ergiebig, wohlhabend); Schöngrundner (schöner = fruchtbarer Grund); Großbauer; Altenbauer (Besitzer eines „alten“ Hofes, der von einem anderen, meist neuen Hof an Bedeutung übertroffen werden); Oedhof; Elmbauer (von Ellend = unfruchtbare Felder)
  • Bauliche Besonderheiten: Stadelbauer (Hof mit besonders großem Stadel); Thurmhof (Hof mit einem alten Wehrturm); Steinkellerhof (Haus mit gemauertem Keller, früher im Gebiet der Buckligen Welt eine Besonderheit)
  • Lage des Hofes: Beribauer (Bauer am Berg); Lackenbauer (Bauer bei einer Lacke, bei einem kleinen Teich); Riegelbauer (Hof auf einem Riegel); Grabenbauer; Haidbauer; Reitbauer bzw. Reithofer (Hof an einem „Reut“, an einer Kleinrodung); Schwabauer  (zu Schweig = Almweide mit Hütte); Winterleitner (auf der Schattenseite); Sonnleitner  (an einer sonnigen Leite = abschüssigen Wiese); Stubenleitner (Stube = besonders hitzereiches Gelände); ehem. Schweinriglhof (nach dem gleichnamigen Berg); Kagbauer (am Gehag); Granitzmühle (zu slaw. granica = Grenze)

Im dtv-Atlas Namenkunde werden „Bezeichnungen des Bauern“ auf folgende Elemente zurückgeführt[16]:

  • Zugehörigkeit, Besitz
  • Recht: Widenbauer (zu mhd. widem = die einer Pfarrkirche gewidmeten, gestifteten Gründe); Stiftbauer (Stift = Pachtverhältnis); Frohnleitenhof (zu mhd. vrôn); Liesenbauer bzw. Auf den Lussen (Mundartwort „Luß“ = durch das Los zugefallener Grundanteil);
  • Rufnamen
  • Abstammung: Ungerhof (Hof eines Ungarn), Kirchauerhof, Steyermühl. Teilweise nahmen Bauern, die Bürger wurden, ihre Hofnamen als Erinnerung in die Stadt mit[17].
  • Nebentätigkeit (Prasenleiten-Weber, Zimmermann)
  • Wohnstätte: Gsangbauer (zum Flurnamen[18] Vogelsang)
  • Eigenheiten
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Soprannomi

In der deutschen Sprachinsel Pladen in Italien werden mit den „soprannomi“ (Übernamen) alle Familienmitglieder eines Hauses bezeichnet. Diese Übernamen werden bei einem Umzug einfach mitgenommen, das Haus erhält den Übernamen der neu einziehenden Familie. Sie werden aus Eigennamen, Berufsbezeichnungen oder körperlichen Eigenheiten abgeleitet[19]. Teilweise haben Familien einen offiziellen und einen inoffiziellen Übernamen: Maria Hornung führt das Beispiel eines Giuseppe Benedetti (bzw. Benedikter) an, dessen offizieller Übername „Guck“ ist, weil sein Vater Brillenträger war. Inoffiziell wird die Familie allerdings „Bedlar“, also „Wedler“ genannt, weil ein Kind der Familie unruhig war, „wedelte“.[20] „Sofern sie nicht abträglich sind“, werden die Namen teilweise auf den Bauten angeschrieben, „dennoch sind diese Namen in unserer durch exakte behördliche Festlegungen charakterisierenden Zeit zum langsamen Aussterben verurteilt“[21].

Pseudonyme

Ein Pseudonym wird im Gegensatz zu einem Hofnamen meist von den TrägerInnen des Namens selbst gewählt [22] – sei es zum Schutz der Privatsphäre, aus „Familien- und Standesrücksichten“ oder als bewusstes Abschließen mit Vergangenem oder unliebsamer Tradition[23]. Der bürgerliche Name bleibt daneben bestehen.

Spitznamen, Spottnamen

Bei einem Spitz- oder Spottnamen bleibt den Verwenderinnen und Verwendern klar, dass es sich nicht um den eigentlichen Namen handelt, während ein Übername den ursprünglichen Namen verdrängen kann[24].

Hausnamen

Verwandt, aber nicht ganz dasselbe sind die sogenannten Hausnamen. Mit diesem Begriff bezeichnet man zumeist Namen für Häuser innerhalb geschlossener Städte bzw. Siedlungen. Die Hausnamen ersetzten im Mittelalter die fehlenden Hausnummern, die erst ab dem 18. Jahrhundert eingeführt wurden[25].

Aus Wohnstättennamen entstandene Familiennamen

Eine der wesentlichen Quellen für Familiennamen – vor allem im bäuerlichen Bereich[26] – sind Wohnstättennamen[27]. Im Gegensatz zu Herkunftsnamen, die an Fremde vergeben werden, werden mit Wohnstättennamen eher Einheimische benannt[28].

Es könnte zum Beispiel sein, dass sich jemand mit dem Familiennamen Sonnleitner, der ursprünglich von einem Hof an einer sonnigen Leite herrührt, auf einem Sonnleitenhof ansiedelt und so Hofnamen und Familiennamen zufällig identisch sind. Bei der Arbeit mit historischen Quellen können Hof- und Familiennamen nicht immer einfach auseinander gehalten werden: Eines der Kriterien für das Vorliegen eines Familiennamens ist ja, dass die Verwendung über mehrere Generationen nachweisbar ist[29] – das trifft aber auch auf Hofnamen zu: „Der Höfer, Hofer kann einen Hof besitzen oder bewirtschaften, aber auch aus Hof stammen oder an einer Stätte namens Hof wohnen“[30].

Ökelnamen

Der „Ökelname“ bezeichnet dasselbe wie ein Übername und kommt von lat. „augere“ (vermehren)[31].

Fußnoten

[1] Knapp, Saelde: Hofnamen des Kärntner Zollfeldes, S. 27
[2] Vgl. z.B. Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde, S. 11
[3] Harvalík, Milan: Hofnamen, S. 415; Garovi, Angelo: Obwaldner Hofnamen in inoffiziellen Familiennamen, S. 82
[4] Hornung, Maria: Die Flurnamenforschung in NÖ, S. 45; Hornung, Maria: Die richtige Aussprache von Namen in Österreich, S. 281
[5] Harvalík, Milan: Hofnamen, S. 415
[6] Kowall, Margarete: Zeitreise Heimat, S. 61
[7] Beitl, Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, S. 333
[8] Zum Beispiel in der Gemeinde St. Egyden am Steinfeld
[9] Harvalík, Milan. Hofnamen, S. 417
[10] Grohne, Ernst: Die Hausnamen und Hauszeichen, S. 4
[11] Seibicke, Wilfried: Die Personennamen im Deutschen, S. 186
[12] Knapp, Saelde: Hofnamen des Kärntner Zollfeldes, S. 34
[13] Knapp, Saelde: Hofnamen des Kärntner Zollfeldes, S. 35
[14] Knapp, Saelde: Hofnamen des Kärntner Zollfeldes, S. 35
[15] Harvalík, Milan: Hofnamen, S.
[16] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde, S. 111
[17] Grohne, Ernst: Die Hausnamen und Hauszeichen, S. 5
[18] Unterberger, Erika: Haus- und Hofnamen der Gemeinden Altmünster und Traunkirchen, S. 21
[19] Hornung, Maria: Familien- und Übernamen in der deutschen Sprachinsel Pladen, S. 23
[20] Hornung, Maria: Deutsche Namengebung im romanischen Sprachraum, S. 30
[21] Hornung, Maria: Die soziopolitische Bedeutung der Eigennamen in gemischtsprachigen Gebieten Oberitaliens, S. 205
[22] Seibicke, Wilfried: Personennamen im Deutschen, S. 34
[23] Seibicke, Wilfried: Personennamen im Deutschen, S. 38
[24] Gottschald, Max: Deutsche Namenkunde, S. 114
[25] Beitl, Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, S. 333
[26] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde, S. 65
[27] Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, S. 213
[28] Fleischer, Wolfgang: Die deutschen Personennamen, S. 133
[29] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde, S. 59
[30] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde, S. 111
[31] Gottschald, Max: Deutsche Namenkunde, S. 114


zuletzt aktualisiert am 29. Dezember 2017